MENS SANA

 

 

 

Schulleiter (bedeutungsschwanger und betroffen):

Ich habe Sie hergebeten, lieber Herr Kollege, weil ich eine ganze Reihe von Beschwerden über Ihre Notenfindung vorliegen habe.

 

Lehrkraft:

Ja, ich geb's ja zu, meine Schulaufgabenergebnisse dieses Jahr waren nicht immer berauschend. Zweimal hatte ich sogar einen Schnitt schlechter als 2,8, aber ich kann das erklären, denn -

 

Schulleiter:

Nein, nein, das ist ein anderes Problem, über das wir uns extra mal unterhalten müssen.

Es geht jetzt nur darum, dass Sie zu Ihrer Notenberechnung Schulaufgaben, Stegreifaufgaben oder Rechenschaftsablagen herangezogen haben, die an dafür offensichtlich unzulässigen Tagen abgehalten haben.

 

Lehrkraft:

Wieso? Ich habe meines Wissens nie eine Ex an einem Schulaufgabentag geschrieben, obwohl ich finde, dass -

 

Schulleiter:

Ähm, darum geht es ja gar nicht. Es geht um Tage nach Sportveranstaltungen.

 

Lehrkraft:

Die Bundesjugendspiele? Aber wieso kann ich denn nicht -

 

Schulleiter:

Sie wollen mich nicht verstehen, merke ich. Sie wissen aber doch, was unser Kultusminister zur Fußballeuropameisterschaft gesagt hat...!

 

Lehrkraft:

Fußball-Europameisterschaft? Was hat die denn mit meinen Noten zu tun?

 

Schulleiter:

Es wurde doch ausdrücklich klargestellt, dass die Lehrkräfte auf die Schüler Rücksicht zu nehmen haben, die sich während dieses Turniers sehr engagieren.

 

Lehrkraft:

Engagieren? Sie meinen, vor der Leinwand hocken und Alkohol in sich reinschütten?

 

Schulleiter:

Nun stellen Sie sich doch nicht so an, Herr Kollege. Es muss Ihnen doch klar sein, dass solche Events unsere jungen Schüler sehr mitnehmen können. Dann kommen sie auch noch später ins Bett, schlafen schlecht ein und sind somit am nächsten Tag sicherlich nicht in der Verfassung, ihr Potenzial auszuschöpfen.

(blättert in seinen Unterlagen)

Ich sehe hier z.B., dass Sie in der Klasse 7a am Montag, dem 9.6. eine Stegreifaufgabe geschrieben haben. Dabei fand am Vorabend das Spiel Deutschland gegen Polen statt!

Es muss Ihnen klar sein, dass eine Stegreifaufgabe an diesem Tag eine unzumutbare Belastung für die Schüler gewesen sein muss und nicht gewertet werden darf.

 

Lehrkraft:

Aber wenn ich wegen irgendeinem Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft schon nicht mal mehr einen Test schreiben -

 

Schulleiter:

Außerdem liegen mir hier Beschwerden der Eltern zweier Schüler vor, die den Dienstag, den 17. 6. betreffen. An diesem Tag haben Sie einen gewissen Pablo aus der 7a und eine Katharina aus der 8e ausgefragt.

 

Lehrkraft (sarkastisch):

Kann schon sein. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass die beiden meine Fragen nicht beantworten konnten, weil sie vor lauter Anfeuerung der deutschen Mannschaft so heiser waren. Sie hatten viel eher -

 

Schulleiter:

Es geht ja gar nicht um die deutsche Mannschaft. Aber es ist doch so, dass am Mittwoch zuvor Spanien und Griechenland aufeinander trafen. Nun hat die Schülerin Katharina aber eine griechische Mutter und der Schüler Pablo hat mütterlicherseits spanische Großeltern!

Was glauben Sie, wie die beiden angespannt und aufgewühlt waren?!

Bei Pablo hätte Sie doch der Name schon stutzig machen müssen.

Außerdem sind Sie doch sogar Klassenleiter der 8e, da hätten Sie die Familienverhältnisse der Schülerin Katharina doch kennen müssen.

 

Lehrkraft:

Ich kann doch nicht –

 

Schulleiter:

Zudem hätte Ihnen doch zu denken geben müssen, dass die Schülerin Luisa aus der 9. Klasse immer mit einem Luca Toni T-Shirt herumläuft. Trotzdem haben Sie sie mal ausgefragt, obwohl ihr Team am Samstag vorher ein schweres Spiel hatte.

 

Lehrkraft:

Am Samstag vorher? Aber dann war ja bis Montag sogar noch ein Tag dazwischen, in dem sie sich erholen konnte...

 

Schulleiter (dramatisch):

Lieber Kollege: Dieses Spiel ging in die Verlängerung und endete mit einem Elfmeterschießen!

Nein, dass Sie an solchen Tagen gerade so belastete Schüler herauspicken, zeugt von wenig Fingerspitzengefühl, muss ich schon sagen.

 

Lehrkraft:

Was heißt da, "gerade " -

 

Schulleiter:

Ich bin leider noch nicht fertig.

(holt einen dicken Leitz-Ordner heraus)

Sie sehen, die Liste Ihrer Verfehlungen ist sehr umfangreich und ich kann jetzt sowieso nur ein paar Fälle herausgreifen. Mit dem Gesamtpaket müssen sich dann eh höhere Stellen befassen.

 

Lehrkraft:

Nur wegen der Europameisterschaft -

 

Schulleiter:

Es geht ja leider nicht nur um die Europameisterschaft. Aus meinen Unterlagen geht doch zweifelsfrei hervor, dass Sie auch in den Monaten vor der Europameisterschaft schon des Öfteren an Donnerstagen Noten gemacht haben.

Sogar über Schulaufgaben an bestimmten Freitagen liegen mir verlässliche Aussagen vor.

 

Lehrkraft (verständnislos):

Äh, ich –

 

Schulleiter:

Sie können mir doch nicht weismachen, dass Sie die Termine der Champions League nicht im Kopf gehabt haben, als sie diese Prüfungen angesetzt haben!

Ich bitte Sie: Da spielen am Mittwoch Bremen und Schalke gegen Mannschaften wie Barcelona und Chelsea und Sie bringen es doch tatsächlich fertig, am Donnerstag danach von Schülern Leistung zu verlangen.

Und ich muss Sie doch wohl nicht wirklich darauf hinweisen, dass Bayern München in dieser Saison international regelmäßig an Donnerstagen antreten musste und damit Freitage für Rechenschaftsablagen jedweder Art blockiert hätten sein sollen, oder?

 

Lehrkraft:

Wenn hier ständig irgendwelche Fußballspiele sind, kann ich doch nicht -

 

Schulleiter:

Mein lieber Herr Kollege, Sie machen es mir aber nicht leicht! Es geht doch lediglich darum, dass Lehrer ihren Schützlingen ein bisschen Verständnis entgegen bringen und ihnen nicht geradezu auf sadistische Weise Fallen stellen sollten.

Außerdem ist Fußball ja nur ein kleiner Teilbereich Ihres Problems.

(blättert im Ordner)

So haben Sie z.B. an einem Montag den Schüler Jörg aus der 7a ausgefragt, Dabei ist dieser Schüler in seiner Altersklasse ein viel versprechendes Talent im Pool-Billard und trainiert jeden Sonntag hart dafür!

Einen ähnlich gelagerten Fall haben wir in der Parallelklasse: Der Vater des Schülers Sebastian nimmt an Sonntagen regelmäßig an Bogenschießturnieren teil und natürlich begleitet ihn Sebastian dabei regelmäßig. Herr Kollege, sind Ihnen solche Gegebenheiten denn gar nicht bewusst?

Und das sind nur einzelne Beispiele von vielen, die ich Ihnen jetzt vorhalten könnte!

 

Lehrkraft:

Wie soll ich denn -

 

Schulleiter (legt Ordner beiseite und winkt ab):

Ich muss schon sagen, ich bin sehr, sehr enttäuscht von Ihnen, Herr Kollege. Auch wenn die Entscheidungen des MB und des Kultusministeriums über ihr Fehlverhalten noch ausstehen, muss ich Ihnen doch raten, sich intensiver mit der Schülerpsyche auseinanderzusetzen und zu bedenken, dass unsere Aufgabe nicht darin besteht, Schüler hereinzulegen und ihnen die Zukunft zu verbauen. Unsere G-8-Schüler haben es auch so weiß Gott schon schwer genug. Ein bisschen Fairness gerade im Hinblick auf die Terminierung von Leistungsnachweisen ist da von einem Pädagogen wohl nicht zu viel verlangt.

 

Lehrkraft:

Ich habe aber doch offenbar gar keine Chance, überhaupt einen akzeptablen Termin zu finden. Sie haben mir doch gerade bewiesen, dass es im vergangenen Schuljahr keinen Tag gab, der nicht durch eine Sportveranstaltung am Tag vorher als möglicher Prüfungstag ausfiel.

 

Schulleiter:

Moment: Jetzt wollen wir doch mal die Kirche im Dorf lassen und nicht unnötig pauschalisieren.

(studiert seinen Terminkalender und murmelt dabei)

Ruderwettbewerb, Tennismeisterschaft, Minigolfturnier, Bergtour, Basketballtraining, Segeltörn...

(triumphierend)

Ah, Ich sehe hier, Sie hätten durchaus fündig werden können, wenn Sie sich nur ein klein wenig bemüht hätten. Mittwoche wären hervorragend geeignet gewesen für Tests jeder Art, zumindest Mittwoch der 24. Oktober sowie Mittwoch der 4. Juni!

 

Lehrkraft (blättert nun seinerseits in seinem Terminkalender):

Tut mir leid, an diesen Tagen war ich leider vom Dienstag zuvor zu ausgepowert und keinesfalls in der Lage, einen Test vorzubereiten oder gar Leistungen zu bewerten.

 

Schulleiter:

Sie? Wieso, was war da –

 

Lehrkraft:

Dienstag, 23. Oktober und Dienstag, 3. Juni war ich beim Lehrerkegeln!