Werbeträchtig

 

 

OStDin Leitenbauer-Mirsbach (52, Schulleiterin):

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie bestimmt bereits mitbekommen haben, sind die Anmeldezahlen für die 5. Jahrgangsstufe des kommenden Schuljahres an unserem Gymnasium rückläufig. Wenn wir aber unsere Lehrerzahl halten wollen, müssen wir uns dringend etwas einfallen lassen, wie wir unsere Attraktivität für künftige Fünftklässler bzw. deren Eltern steigern können. Haben Sie da Vorschläge?

 

OStRin Schulze (47, Beratungslehrerin):

Ich denke, wir sollten v.a. unseren Schnuppertag anders gestalten. Es reicht heutzutage einfach nicht, die Eltern der Grundschüler im Schulgebäude herumzuführen und ein paar Worte über die Ausrichtung der Schule zu verlieren. Da müssen wir wesentlich professionelleres Marketing betreiben.

 

StD Hauer (61, Fachbetreuer):

Professionelles Marketing"? Sollten wir die Leute nicht vielleicht durch professionellen Unterricht überzeugen?

 

OStDin Leitenbauer-Mirsbach:

Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen da widerspreche, Herr Hauer, aber mit dieser Ansicht sind Sie wohl ein wenig aus der Zeit gefallen. Auf die gute alte Zeit pochen und die Augen verschließen bringt uns da nicht weiter.

Hätten Sie denn konkrete Ideen, Frau Schulze?

 

OStRin Schulze:

Nun, ich höre z.B. von anderen Schulen, dass den Eltern bei diesen Anlässen ein kleiner Imbiss gereicht wird oder CDs mit Aufnahmen von Schulkonzerten geschenkt werden. Für die Kinder gibt es Gewinnspiele oder ein Quiz, wobei sie z.B. ein T-Shirt mit dem Aufdruck des Schullogos oder als Hauptgewinn ein iPad gewinnen können. Das kommt extrem gut an und unterstreicht auch gleich den Nimbus der Schule als technik-affin.

 

StD Hauer:

Technik-affin"? “Technik-Affen" vielleicht!

 

OStDin Leitenbauer-Mirsbach:

Herr Hauer!

Das kommt übrigens nicht ins Protokoll, bitte.

 

StRin Blöcher (29, Verbindungslehrerin):

Ich habe gehört, dass es in München eine ganz moderne Schule gibt, die so großen Zuspruch hat, dass sie sogar die Aufnahme neuer Schüler begrenzen muss. Dort können sich die Lehrer in den Freistunden und Pausen z.B. nicht wie üblich in das Lehrerzimmer zurückziehen. Ein traditionelles Lehrerzimmer existiert überhaupt nicht, stattdessen gibt es nur verglaste Teamräume. Vielleicht können wir uns an daran ein Beispiel nehmen.

 

StD Hauer:

Können Sie mir bitte sagen, welche didaktische Superidee da dahinter steckt? Lernen die Schüler denn automatisch mehr, wenn sie z.B. zuschauen können, wie die Lehrer ihr Pausenbrot essen?

 

 

OStDin Leitenbauer-Mirsbach:

Bitte, Herr Hauer, darum geht es doch gar nicht! Eltern und Schüler sind ja schließlich unsere Kunden, und bei denen scheint Transparenz in jeder Beziehung jedenfalls gut anzukommen. Und wenn wir für die Schüler schon sogenannte “offene Klassenzimmer" eingeführt haben, in denen sie sich ganz ungezwungen auch mal auf dem Teppich fläzen können, könnte man den Gedanken ruhig für den Lehrerbereich weiterspinnen.

 

StD Hauer:

Ich habe jedenfalls nicht vor, mich mit irgendwelchen Kolleginnen auf dem Teppich zu wälzen! Zumindest nicht unter den Augen der Schüler!

 

OStDin Leitenbauer-Mirsbach:

Bitte jetzt, Herr Hauer! Das Thema ist zu ernst für Ihre Altlherrenwitze!

Allerdings sehe ich schon das Problem, dass da doch gewisse bauliche Veränderungen und Kosten auf uns zukommen würden, die wir eventuell nicht so leicht schultern könnten.

 

StRin Gürchow (38, Mittelstufenbetreuerin):

Es gibt ja oft Klagen, dass Eltern und auch Oberstufenschüler auf dem Lehrerparkplatz keinen Platz finden. Vielleicht -

 

StD Hauer:

Deshalb heißt er ja auch “LEHRERparkplatz"!

 

StRin Gürchow:

Wenn ich bitte ausreden darf: Vielleicht sollten wir da in Zukunft ein wenig kooperativer sein. Viele von uns Lehrkräften wohnen doch gar nicht so weit weg: Wenn alle, die es in einer Viertelstunde zu Fuß oder mit dem Rad hierher schaffen können, auf ihr Auto verzichten würden, wäre die Parkplatzsitutation doch schon wesentlich entspannter. Wenn wir das dann offensiv kommunizieren, bringt uns das sicher ein paar Pluspunkte ein!

 

StD Kaulbacher (46, Mitarbeiter im Direktorat):

Da mögen Sie ja recht haben, aber machen wir uns doch nichts vor: Die Attraktivität einer Schule hängt doch v.a. von den Ergebnissen der Schüler in den Prüfungen und den Zeugnissen ab. Wenn wir den Schülern da ein wenig entgegenkommen könnten, wäre uns vermutlich mehr gedient.

 

OStDin Leitenbauer-Mirsbach:

Wie meinen Sie das konkret, Herr Kaulbacher?

 

StD Kaulbacher:

Nun, ich war erst kürzlich Beisitzer in einer Colloquiumsprüfung und habe da doch feststellen müssen, dass ein Schüler nur drei Punkte bekommen hat, was ja der Note Fünf plus entspricht. Mit solchen Noten schrecken wir Eltern natürlich ab, das muss uns klar sein. Wir sollten jedenfalls aufpassen, dass wir uns nicht alle Schüler und Eltern zum Feind machen.

 

StD Hauer:

Sie meinen die Prüfung von Dominik, oder? Der Knabe konnte aber doch nicht nur keine vernünftigen Antworten liefern, der hat ja nicht einmal die simpelsten Fragestellungen kapiert!

 

StD Kaulbacher:

Immerhin hat er sich durch die Nachfragen gelegentlich helfen lassen und dann oft auch etwas gesagt. Das hätte man ihm ruhig höher anrechnen dürfen, meine ich.

 

StD Hauer:

Und deshalb hätten Sie seine “Leistung“ als “ausreichend“ bewertet? Warum dann nicht gleich als “befriedigend" oder gar “sehr gut“? Immerhin hat er die Prüfer nicht 30 Minuten lang angeschwiegen, das hat doch höchstes Lob verdient!

 

OStDin Leitenbauer-Mirsbach:

Herr Hauer, was Herr Kaulbacher sagen will, ist doch wohl, dass wir uns generell um einen etwas partnerschaftlicheren Umgang bemühen und nicht diesen Gegensatz “Wir Lehrer da oben, ihr Schüler da unten" aufbauen sollten.

In dem Zusammenhang darf ich unseren Arbeitskreis “Erziehungspartnerschaft" loben. Wie ich höre, bringen sich die Elternvertreter da sehr intensiv ein. In dieser Richtung sollten wir unbedingt verstärkt aktiv werden, finde ich, das kann für die Außenwirkung unserer Schule nur günstig sein.

 

StD Hauer:

Und die Noten legen wir dann auch partnerschaftlich fest, mit gleichen Stimmanteilen von Lehrern, Schülern und Eltern, oder? Aber klar, Hauptsache, die Außenwirkung stimmt!

 

OStDin Leitenbauer-Mirsbach:

Mit Ihnen zu diskutieren hat keinen Sinn, Herr Hauer, das haben wir alle schon gemerkt. Die Eltern beurteilen diese Initiative jedenfalls sehr positiv. Nun müssen wir nur noch erreichen, dass wir damit auch in die Medien kommen, denn wenn die Eltern der Grundschüler nicht darauf aufmerksam gemacht werden, können wir mit diesem Pfund ja nicht wuchern und das hilft unseren Einschreibezahlen nicht.

Ich schlage jetzt einfach Folgendes vor: Alle Kollegen, die sich ernsthaft Gedanken machen möchten, wie die Zukunft unserer Schule gesichert werden soll, bilden einen Arbeitskreis, der Vorschläge sammelt und Konzepte entwickelt. Die bisher vorgebrachten Ideen sind leider doch sehr konventionell, um nicht zu sagen zahm: Damit können wir im künftigen Konkurrenzkampf mit den anderen Gymnasien in unserem Einzugsbereich keinesfalls bestehen, fürchte ich.

Lösen Sie sich also von althergebrachten Denkschemata und seien Sie innovativ! Ansonsten kann ich leider nicht garantieren, dass in den kommenden Schuljahren nicht etliche Kollegen an andere Schulen, auch solche in größerer Entfernung, abgeordnet werden müssen.

Dabei kann es übrigens durchaus auch sehr erfahrene Kollegen treffen, Herr Hauer!