AUSTAUSCH

 


 

Personen:

 

L: OStRin Lena Landbrecht (Lehrerin für Englisch und Italienisch, die in früheren Jahren einen Schüleraustausch mit Italien organisierte)

 

S: OStDin Sabina Schmidtlein (Schulleiterin)

 

 

 

1. (im Lehrerzimmer)

 

L:

Frau Schmidtlein: Könnten wir in diesem Schuljahr nicht den früher doch sehr bewährten Italien-Austausch wieder beleben? Wir haben jetzt sehr viele interessierte Schüler im Wahlkurs Italienisch.

 

S:

Hm, das sehe ich sehr problematisch. So ein Austausch ist doch eine große Belastung für das Schulleben, nicht wahr? Denken Sie nur mal an den damit verknüpften Ausfall regulären Unterrichts – Sie müssen dann ja auch vertreten werden! So ein Austausch bringt das Schulleben schon sehr durcheinander...

Und wir haben doch schon den England-Austausch, da brauchen wir doch keinen zweiten.

Hm, aber warten Sie mal, da kommt mir eine Idee: Ein CHINA-Austausch wäre eine feine Sache.

 

L:

(verständnislos) China? Ein Italien-Austausch raubt angeblich zu viel Unterrichtszeit und stört das Schulleben, aber einen China-Austausch würden Sie begrüßen?

 

S:

Aber das hätte doch eine ganz andere Öffentlichkeitswirkung, verstehen Sie nicht? Mit so einem Projekt kämen wir bestimmt in die Zeitung und vielleicht sogar ins Fernsehen!

(im Gehen) Denken Sie mal über so einen Austausch nach!

 

 

 

2. (im Direktorat, eine Woche später)

S:

Frau Landbrecht, ich habe hier ein Fax bekommen aus Italien. Und aus irgendwelchen Gründen scheinen die dort tatsächlich ganz erpicht auf einen Austausch mit uns zu sein. Mir ist ja ein Rätsel, wie die ihre Unterrichtsversorgung sicher stellen und die Schülereltern bei Laune halten, aber das ist glücklicherweise nicht mein Problem...

Jedenfalls habe ich mir das jetzt noch einmal durch den Kopf gehen lassen und würde dem Projekt jetzt zustimmen.

 

L:

Schön!

 

S:

Ich habe auch schon einen Termin ausgeguckt: 1. 10. bis 5. 10. 2008.

 

L:

(blättert im Kalender) : Aber da liegt ja der 3. 10. in der Mitte, der Feiertag...

 

S:

Ja ja. Dann fällt auch nicht so viel wertvolle Unterrichtszeit weg.

 

L:

(sarkastisch)  Vor allem, weil der 4. und 5.10. auch noch Samstag und Sonntag sind...!

 

S:

(schaut unschuldig)

 

L:

Moment mal: Vom 1. bis 5. 10. nur - das ist ja nicht einmal eine ganze Woche! Der 1. 10. ist ein Mittwoch: Das heißt, die begleitenden Lehrkräfte opfern den Feiertag und ein gesamtes Wochenende, haben insgesamt aber nur 5 Tage zur Verfügung!

 

S:

Ja ja. Viereinhalb eigentlich: Am Mittwoch dürften Sie natürlich frühestens nach der 6. Stunde aufbrechen. Sonst würde ja für die Beteiligten Vormittagsunterricht entfallen.

 

L:

Aber dann kommen wir ja erst abends um 21.00 Uhr an! Und dann sollen die Kinder sich noch einfinden und ihre Gastfamilie kennen lernen?

 

S:

21.00 Uhr schon? Da sehen Sie mal, wie schnell man mit der Bahn nach Italien kommt!

Da fällt mir ein: Für den 2. 10., den Donnerstag, haben die italienischen Kollegen doch bestimmt ein Programm erstellt. Bei dem müssen sie wohl nicht unbedingt dabei sein, schätze ich. Da können Sie dann doch am Mittwochabend, nachdem Sie die Kinder dort sicher abgeliefert haben, gleich den Nachtzug zurücknehmen. Dann halten Sie am Donnerstag hier ganz normal ihren Unterricht und fahren danach wieder nach Italien. So müssen Sie hier gar nicht vertreten werden und ich kann sicher sein, dass qualitätvoller Unterricht abgehalten wird, nicht wahr?

 

(L glotzt ungläubig)

 

S:

Ich lasse mir gleich mal vom Sekretariat den Fahrplan geben.

Ich denke, das ist eine Lösung, mit der wir alle gut leben können.

(steht auf und signalisiert Gesprächsende)

Und für nächstes Jahr lassen Sie sich noch einmal die Idee mit China durch den Kopf gehen, ja?